Am 9.2.2004 haben wir im Ladengold zu einer Info-Veranstatltung über den Belgrad-Pride 2004 eingeladen. Anja Arnautovic aus Belgrad und Ivan Dimic aus Nis haben über die Situation von Lesben, Schwulen und anderen Minderheiten in Serbien berichtet. Es wurde ein Dokumentations-Film über die bisher erste und letzte Gay-Pride-Parade in Belgrad gezeigt, welche von ca. 1000 Hooligans brutal zusammengeschlagen wurde. Im Anschluss an den Film gab es noch eine Diskussionsrunde.
Die VeranstalterInnen des Belgrad-Pride 2004 hatten um unsere Unterstützung geworben – sei es durch unsere aktive Teilnahme in Belgrad jenem Jahr, durch Spenden oder in Form von Briefen oder E-Mails an die serbische Regierung und die Belgrader Polizei. Die ReferentInnen sagten uns, dass gerade die Briefe ein sehr wichtiges Mittel seien, um die notwendige Aufmerksamkeit der Behörden herbeizuführen. Bisher seien auch alle Schreiben tatsächlich beantwortet worden.
Die Veranstaltung wurde dann jedoch von den Veranstalter_innen abgesagt, da sie aufgrund mangelnder Unterstützung seitens der Verwaltung um die Sicherheit der Teilnehmer_innen fürchteten.
Hier nochmal unser Einladungstext zwecks Hintergrund-Info:
Die Nachricht von der 1.Gaypride in Belgrad im Jahr 2001 mag vielen noch in Erinnerung sein, anderen wurde sie zum ersten Mal bewusst als Vedrana Velickovic von Gayten (LGBT-Gruppe in Belgrad) Anfang des Jahres den Film über die Pride in verschiedenen Städten Deutschlands zeigte. 100 Personen versuchten 2001 auf dem Platz der Republik eine Gaypride zu zelebrieren, wurden daran jedoch von ca. 1000 Hooligans und Mitgliedern der faschistoiden Gruppe “Obraz” (Ehre) gehindert. Sobald die TeilnehmerInnen der Pride den Platz betreten wollten stürzten sich die Hooligans und ihre MitstreiterInnen auf sie und schlugen sie brutal zusammen. Die Polizei, die schon zu Zeiten Milosevics nicht gerade auf Seiten von Oppositionellen und Minderheiten stand, reagierte nur sehr zögerlich, einen tatsächlichen Schutz bat sie den TeilnehmerInnen der Pride nicht, z.T verweigerte sie ihnen gar die Hilfe. Der damalige Präsident Kostunica bezog auch auf Nachfrage bei einem Treffen in den USA zu dem Vorfall keine Stellung, da es seiner Ansicht nach wichtigeres gebe.
Im Vorfeld der Gaypride wurde zwar teilweise mit Gegenwehr von rechten Gruppierungen gerechnet, jedoch nicht in dieser massiven Form. Außerdem bestand die Hoffnung, dass sich die gesellschaftliche Situation für Schwule und Lesben nach dem Sturz Milosevics im Oktober 2000 geändert habe. Die Ereignisse waren Zeugnis genug, dass dies nicht der Fall war. Fortan wurden lesbisch-schwule AktivistInnen in der Öffentlichkeit wieder vorsichtiger. Die lesbische Gruppe “Labris” zum Beispiel änderte ihr Klingelschild in einen belanglosen Nachnamen um, weil das Schild mehrmals angebrannt wurde und auch die Nachbarn im Haus schon Sorge um ihre eigenen Wohnungen hatten. Auch die Adressen sämtlicher anderer lesbisch-schwuler Gruppen und Projekte sind geheim.
Erst eine Flut von Protestbriefen an jugoslawische Botschaften in verschiedenen Ländern im Jahre 2001 hatte zur Folge, dass der jugoslawische Innenminister den OrganisatorInnen der Gaypride sein Bedauern mitteilte, wenn auch nicht ohne zu erwähnen, dass die Polizei gegen die Hooligans machtlos war. Das zu glauben fällt schwer, wenn man im Oktober 2003 beobachtet, wie viele tausende PolizistInnen sich auf eben jenem Platz der Republik versammeln, um gegen die Verurteilung von General Sreten Lukic in Den Haag zu protestieren.
Die Situation hat sich in den letzten zwei Jahren nicht bedeutend geändert, die gesellschaftliche und politische Lage ist zur Zeit desolat. Seit der Ermordung des Premierministers Zoran Djindjic im März 2003 ist die Regierung schwächer geworden und die Regierung seit Mitte November aufgelöst. Aufgrund der gescheiterten Präsidentschaftswahlen vom 16. November – wegen zu geringer Wahlbeteiligung – gibt es auch keinen Präsidenten Serbiens mehr, da sich der alte Präsident im Januar 2003 freiwillig dem Haager Tribunal stellte. Somit ist der alles entscheidende Tag der 28. Dezember, der Tag der Parlamentswahlen für Serbien.
Trotz alledem versucht ein Bündnis von jungen Lesben und Schwulen für das Jahr 2004 erneut eine Gaypride zu organisieren. Auch wenn die homophobe Gegenwehr vermutlich nicht geringer sein wird, halten sie es für wichtig und sinnvoll ein weiteres Mal auf die Straße zu gehen und Präsenz zu zeigen, denn sie gehen davon aus, dass der richtige Moment für eine ungestörte Gaypride nicht von allein kommen wird. Als Vorbild gilt die Gaypride 2002 und 2003 in Zagreb, die mit Hilfe des Einsatzes von privaten Sicherheitsdiensten und kroatischer Polizei ohne größere Zwischenfälle durchgeführt werden konnten. In der Organisation der Belgrad Gaypride 2004 wird nun auch eine andere Strategie angewandt als 2001: Die Vorbereitungen beginnen früher. Es wurden bereits Gespräche mit Polizei und Regierung aufgenommen. Als Bedingung dafür musste sich das Bündnis jedoch als steuerzahlende NGO registrieren lassen. Von Seiten des Bündnisses wird außerdem auf massive internationale Präsenz und Aufmerksamkeit gesetzt, da dies eine Chance ist, Druck auf die Regierung auszuüben, dahingehend, dass sie für den Schutz der Gaypride sorgen muss. Auch das Interesse internationaler Medien soll geweckt werden, um über diese Öffentlichkeit einen gewissen Schutz zu bieten. Erschwert wird die Arbeit des Bündnisses jedoch auch von Gruppen, von denen man es nicht erwartet hätte. Die Sozialdemokratische Partei (SDU), die als einzige Partei in ihrem Programm für die Rechte von Schwulen und Lesben eintritt, kündigte dem Bündnis kürzlich die Raumnutzung für ihre wöchentlichen Vorbereitungs-Treffen auf. Der Präsident der SDU -Zarko Korac- fürchtet um seinen Ruf und Posten als Vize-Premier Serbiens und möchte nicht mit dem Gaypride Bündnis in Verbindung gebracht werden. Die SDU war schon einmal Angriffsziel als der Arbeitskreis Queeria LGBT der sozialdemokratischen Jugend eine Medienkampagne zur Homoehe gestartet hatte. Im März 2001 stürmten Skinheads die Büroräume der SDU, demolierten Scheiben und Einrichtung und schlugen ein Mitglied des Arbeitskreises zusammen.
Eine breite internationale Beteiligung an der Belgrad Gaypride 2004 ist sehr wichtig, um dazu beizutragen die Gaypride zu ermöglichen. Darüberhinaus wird eine große Summe an Geld benötigt, die die OrganisatorInnen nicht alleine aufbringen können. Alleine für den privaten Sicherheitsdienst werden 40.000 Euro benötigt.
Geldspenden sowie die internationale Mobilisierung und Präsenz bei der Gaypride 2004 sind eine wichtige Unterstützung im Kampf gegen Homophobie und Zwangsheterosexualität.